... und es ist jetzt schon eine Weile her,
seit ich das letzte Mal etwas von mir hören lassen habe. Das lag aber nicht
daran, dass es nichts zu erzählen gegeben hätte, ganz im Gegenteil: zwei
Hindu-Festivals, ein Ausflug nach Courtallam, das Erkunden von Madurai (also
der nächsten größeren Stadt), ein Sporttag, Hochzeiten, ein Erntedankfest, ein
Geburtstag und natürlich nicht zuletzt der ganz normale Alltag hier haben mich
einfach viel zu sehr beschäftigt, um in Ruhe aufzuschreiben, was mir hier so
passiert. Und jetzt weiß ich gar nicht, wo ich denn anfangen soll!
Am besten wohl der Reihe nach: das erste Hindu-Festival,
Dassara, besuchten wir 8 Freiwilligen gemeinsam in Mysore, denn dort wird das
immer besonders groß gefeiert. Eine Mitarbeiterin der Church of South India
(CSI, die Partnerkirche der EMS), die Mini, die wir bei unseren
Einführungstagen kennen gelernt haben, hatte uns eingeladen, uns dort sowohl
die Stadt als auch das Festival zu zeigen. So stiegen Anna und ich am 20.
Oktober abends um 6 Uhr in den Zug und am nächsten Morgen, nach ca. 15 Stunden
sehr angenehmer Fahrt und auch etwas Schlaf, in Mysore wieder aus.
Die erste
Herausforderung war es dann, unser Quartier zu finden, da uns keine Adresse
davon gesagt werden konnte; es hieß nur das „Wesleys Girls Boarding Home“ und
wir sollen eine Rikscha nehmen. An diesen mangelte es nicht, sobald man aus dem Bahnhof herauskommt
umkreisen einen die Fahrer – besonders uns als weiße Touristen. Das Heim, zu
dem wir wollten, kannten sie aber natürlich nicht, so ließen wir sie mit Mini
telefonieren. Nach einer gefühlten Ewigkeit winkten sie uns dann zu einer
Rikscha, wir versuchten unser Gepäck und uns selbst (inzwischen hatten wir uns
mit einer weiteren Freiwilligen getroffen) zu verstauen, handelten den Preis
aus und waren gespannt, ob wir auch dort ankommen würden, wo wir hin wollten.
Auf den zweiten Anlauf dann taten wir das auch und wurden dort herzlich
empfangen. Es handelt sich dabei um ein Heim der CSI für Mädchen, denen die
Schule und die Verpflegung finanziert wird. Da die Mädchen fast alle über das
Festival zu Hause waren, durften wir ihre Betten so lange benutzen und bekamen
jeden Morgen Snacks und Tee von der Hausmutter, die ihre Ferien für uns
opferte! Und das äußerst spontan, drei Tage davor wussten wir noch nicht, wo
wir denn untergebracht sein würden.
Nach und nach kamen auch die anderen Freiwilligen und wir
hatten uns natürlich die ganzen vier Tage lang sehr viel zu erzählen. Währenddessen
gingen wir in einen Park mit einer berühmten Licht und Wasser Show, standen
über eine Stunde für einen Tempel auf dem Tempelberg an (wobei die Zeit hier
sowieso anders vergeht als bei uns), bekamen im Tempel unseren ersten
„indischen Punkt“ auf die Stirn und freuten uns darüber mächtig, durchstöberten
einen Markt, ruhten uns in einem Vogelpark aus und bestaunten das prunkvolle
Schloss, besonders als es abends komplett mit Lichterketten beleuchtet wurde.
Das hatte etwas von einem Weihnachtsmarkt.
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Einer der Schuhstapel vor dem Tempel |
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Die Schlange vor dem Tempel |
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Im Innern des Tempels |
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Ich vor dem Tempel |
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Mittagessen im Vogelpark |
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Mini und ich im Vogelpark |
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Ein Pfau im Vogelpark | | | |
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Das beleuchtete Schloss |
Der Höhepunkt war selbstverständlich das Festival selbst,
das für uns aus zwei Programmpunkten bestand: Zum einen einem Umzug, bei dem
die Götterstatue von Lord Rama auf über und über geschmückten und bemalten
Elefanten durch die Stadt getragen wird, begleitet von vielen anderen
Umzugswägen und Tänzern. Bis auf die Elefanten erinnert das Ganze an einen
Karnevalsumzug bei uns. So gab es Wägen, auf denen Politiker zu sehen waren,
ein anderer wies auf erneuerbare Energien hin und einer zeigte, was für Tiere
der örtliche Zoo beheimatete.
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Die ersten Elefanten |
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Marschkapelle |
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Dieser Wagen weist auf erneuerbare Energien hin |
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Der Wagen des Zoos |
Die Götterstatue auf einem der Elefanten bildete
den Abschluss des Umzugs. Als diese in Sicht kam fingen Gruppen von Männern an
ausgelassen zu tanzen und Menschenmassen stürmten hinter den Zug her.
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Die Götterstatue von Lord Rama |
Auch wir
machten uns, nach einer Stärkung im Haus von einem Freund von Minis Onkel, auf
den Weg weiter in die Stadt rein, zum nächsten Programmpunkt: der Torchlight
Parade. Wir wussten nicht, was uns da erwarten würde und so war ich erst einmal
etwas enttäuscht, als verschiedene Militär- und Polizeieinheiten aufliefen,
Kanonenschüsse abgefeuert wurden und Pferde, begleitet von Schüssen der
Soldaten, ihre Runden drehten. (Dass ich kein besonders großer Fan von so etwas
bin, dürfte bekannt sein. Besonders nicht, weil ein Pferd auf Grund einer
Herzattacke, ausgelöst von den Schüssen, während der Veranstaltung starb…).
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Doch anschließend wurde es interessanter, das Spektakel glich nun einem Zirkus
bei uns: Stunts auf Motorrädern, Tänze (die sicher eine religiöse Bedeutung
hatten, die wir aber nicht verstanden), Kunststücke mit Pferden,… gekrönt von
dem, auf das wir wegen des namens der Veranstaltung die ganze Zeit gewartet
hatten: den Fackeln. Es war inzwischen dunkel geworden, so dass es unglaublich
toll aussah, als mindestens 100 Personen mit jeweils zwei Fackeln in der Hand
in das Stadion kamen, mit dem Feuer spielten und verschiedene Schriftstücke mit
ihnen darstellten, was gleichzeitig das Ende des Festivals bedeutete.
Für das zweite Festival, Divali (Lichterfest), musste ich
nicht so lange reisen, ich durfte in eine Hindu-Familie in Sivakasi, um das
Festival auch so richtig mitzubekommen. Schon mindestens drei Wochen davor
erzählten mir die Kinder täglich von Divali und so war ich mächtig gespannt,
was es denn damit auf sich hatte. Dass die Lichter des Lichterfests nicht mehr
aus Kerzen und Öllampen bestehen, sondern durch Feuerwerk ersetzt wurden, (wohl
besonders hier in Sivakasi, wo Feuerwerkskörper für ganz Indien und darüber
hinaus hergestellt werden) wurde mir schon im Voraus mehrfach gesagt und auch
deutlich, als wir hier im Elwin Centre am Abend vor den Ferien ein (für meine
Verhältnisse) riesiges Feuerwerk veranstalteten. Die Kinder jubelten bei jedem
neuen Knall und waren mächtig euphorisch. Emotional kann man Divali wohl mit
Weihnachten bei uns vergleichen.
So war auch das erste, was wir am Montagabend machten,
nachdem mich Mr Barnabas und seine Frau in die Hindu-Familie gebracht hatten,
Unmengen an Feuerwerk in die Luft zu jagen. Es gibt dazu keinen festen
Zeitpunkt wie bei uns an Silvester, so dass von Montag bis Mittwoch, also den
drei Tagen, an denen das Festival stattfand, den ganzen Abend lang bis spät in
die Nacht der Himmel leuchtete wo man hinsah und es niemals still wurde,
irgendwo knallte es immer. Auch tagsüber und schon tagelang davor zündelten
einige Voreilige, was bei den Kindern immer ein fröhliches „Divali“-Rufen
auslöste.
Zur Folge hat das allerdings, dass der Verkehr auf der
Straße ganz normal weiter geht, während andere Raketen in die Luft jagen, was
mich mit meinem deutschen Sicherheitsvorschriftendenken manchmal ganz schön in
Schrecken versetzte! Frauen mit Kindern, die ganz nah an den Böllern
vorbeilaufen oder auch Männer auf Motorrollern, die zwischendurch fahren,
ließen mich da mehrmals den Atem anhalten! Spaß gemacht hat es aber trotzdem J Doch die Entsorgung
des kompletten Abfalls machte mich dann wieder etwas stutzig: alles was übrig
war wurde auf einen Haufen geschmissen und verbrannt, es knallte noch ein paar
Mal und qualmte mächtig, war aber effektiv.
Am nächsten Morgen standen wir um halb sechs auf, um uns in
unsere Sarees zu wickeln und uns fertig zu machen für den Tempel. Bevor wir uns
dahin vom 15-jährigen Sohn kutschieren ließen (erlaubt ist das Fahren hier auch
ab 18, der Junge hat aber schon längere Fahrpraxis als ich ;), fuhren wir zum
Haus des Onkels und holten noch zwei weitere Familien ab, mit denen wir
gemeinsam in zwei Tempel gingen. Obwohl ich wohl ziemlich unbeholfen ausgesehen
haben muss, als ich versucht hab all die Rituale zu betrachten und nachzuahmen,
fragten die Priester im Tempel immer freundlich, woher ich denn käme und ob
ich Hindu sei. Als ich dies verneinte, freuten sie sich trotzdem, dass ich da
bin und meinten, ich könnte hier zu jedem Gott beten, an den ich glaube. Selbst
als ich vergaß, meine Schuhe am Eingang auszuziehen, was ganz wichtig ist,
waren sie nicht böse auf mich. Diese Offenheit und Toleranz ist hier überall zu
finden und echt schön!
Als Opfergabe brachte jede Familie eine Schale mit einer
Kokosnuss, Bananen, bestimmte Blättern und Blumen, die von einem Priester
gesegnet werden. Anschließend rezitiert er oder ein anderer Priester
verschiedene Mantras, es wird viel gebetet, wobei sich die Gläubigen immer
wieder auf die Brust und die Stirn klopfen oder ihre Arme verschränken und zum
Abschluss wird eine Glocke geläutet. Alles verstanden habe ich leider noch nicht,
obwohl mir immer wieder alles gezeigt und erklärt wurde. Vielleicht bekomme ich
ja noch einmal die Möglichkeit, diese Traditionen zu beobachten.
Nach dem Tempelbesuch fuhren wir wieder zum Haus des Onkels
und frühstückten dort. An Divali gibt es jede Menge besonderer Süßigkeiten, die
ich natürlich alle probieren musste, so dass ich echt froh war, als mein
Bananenblatt leer war und ich aufstehen konnte, obwohl alles wirklich gut
geschmeckt hat. Nach einigen Familienfotos segneten die Erwachsenen sich
gegenseitig und die Kinder und steckten einander Geld zu. Auch mir wollten sie
unbedingt einige Rupien schenken, ich gehörte ja schließlich für diesen Tag
dazu!
Anschließend gingen wir wieder nach Hause, ich schlief erst
einmal eine Weile, bevor es schon wieder ans Mittagessen ging. Danach schauten
wir ein besonderes Divali-Programm im Fernseher, von dem ich leider nicht so
viel verstand, nur so viel, dass alle tamilischen Stars darin aufkreuzten. Manche
sangen und tanzten, andere mussten lustige Spiele spielen und gegeneinander
antreten. Die Familie war auf jeden Fall begeistert! Zum Abschied schenkten sie
mir sogar noch einen Sari und dann war auch dieses Hindu-Fest, schon wieder
vorbei und der Alltag setzte wieder ein.
Alltag bedeutet, dass ich morgens von Kindern begrüßt werde,
die freudestrahlend auf mich zu rennen und „Annakka, Annakka“ rufen (Akka
bedeutet große Schwester). Weil Bilder ja oft mehr sagen als Worte, hier ein
paar Fotos meiner Kinder, die ich schon alle so sehr ins Herz geschlossen habe:
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Ein paar der Kinder beim Sporttag |
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Pream Kumar beim Weitsprung |
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Pandimunisweri und Lakshmi |
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Machalechmi und Muthukali |
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Nagapandi und Muthupria |
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Die Mädchen bei einer kleinen Feier auf dem Gelände |
Zur Zeit regnet es
sehr oft, so dass ich nachmittags nicht immer wie gewohnt mit den Kindern
spielen kann, sondern dann oft in der Küche beim Gemüseschneiden helfe und die
Kinder ihre Strickpullis und Mützen auspacken. Es ist das erste Jahr seit
langem, in dem es wieder genug Regen in der Gegend gibt. Mancherorts sogar zu
viel, in Chennai gab es Hochwasser und Mr Barnabas´ Sohn, der dort lebt, musste
mit dem Boot aus seinem Haus gerettet werden. Davon blieben wir hier aber zum
Glück verschont und alle freuen sich über den Regen. Leider werden aber auch
viele krank. Auch ich bekam eine Erkältung, aber das lag vermutlich an unserem
Wochenendausflug nach Courtallam zu einem Bibelseminar.
Courtallam ist berühmt für seine Wasserfälle, einer schöner
als der andere! Und wie auch schon bei unserem Kerala-Ausflug hieß es zu mir,
ich solle Extra-Klamotten mitnehmen, da wir im Wasserfall baden würden. Dieses
Mal badeten wir aber nicht weiter flussaufwärts im ruhigen Fluss, sondern
duschten direkt unter dem Wasserfall, was noch viel mehr Spaß machte! Besonders
schön war es am Sonntagmorgen, als wir vor dem Frühstück losfuhren, um in
Mitten von Bergen und einem Wald aus Palmen und Laubbäumen zu Duschen! Mit
dieser Kulisse war das einfach traumhaft. Glücklicherweise war auch nicht viel
los, normalerweise werden die Massen hier von Polizisten mit der Pfeife
durchgejagt, wir konnten aber sofort rein und solange bleiben wie wir wollten-
vermutlich, weil es in der Regenzeit doch recht kühl ist. Der Schnupfen hat
sich aber auf alle Fälle gelohnt!
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Mainfalls in Courtallam |
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Old Courtallam und Mr Barnabas |
So, das war jetzt das wichtigste, was in den letzten Wochen
passiert ist, alles weiter würde den Rahmen hier sprengen. Wie ihr seht fühle
ich mich echt wohl, ich hüpfe inzwischen auch singend und strahlend über das
Gelände des Elwin Centres: Ich fühle mich also zu Hause! Und wenn sich jemand trotz der Länge bis zum Ende des Textes
durchgearbeitet hat:
Ganz liebe Grüße aus dem verregneten Indien,
Eure Anna