Sonntag, 18. Oktober 2015

Der Alltag ist eingekehrt…



….zumindest in den letzten zwei Wochen. Am Dienstagabend mache ich mich schon wieder auf den Weg, dieses Mal treffe ich mich mit den anderen Freiwilligen in Mysore, da dort ein berühmtes Hindu-Festival (Dassara) stattfindet. Damit hier aber nicht der Eindruck aufkommt, ich würde nur Reisen und überhaupt nicht arbeiten (so ist das nämlich nicht!), ist es wohl dringend an der Zeit, von meinem Alltag und meiner Arbeit hier zu erzählen. 

An Schultagen, also von Montag bis Freitag und an jedem zweiten Samstag, klingelt mein Wecker um 6:30 Uhr. Inzwischen ist es manchmal morgens sogar schon kühler, so dass ich mich fast überwinden muss, mir das kalte Wasser zum Duschen in meiner „indian bucket shower“ über den Kopf zu leeren. Aber wach bin ich dann! Der erste Tagesordnungspunkt – ein sehr wichtiger!- ist dann das Tee trinken in der Küche. Mit einem fröhlichen „Good morning!“ werde ich dort jeden Morgen von Selvamary (meiner Indian-Mummy) begrüßt, setze mich auf die Arbeitsplatte oder schaue ihr beim Gemüse schneiden zu (ab und zu darf ich auch helfen!) und warte auf meinen Tee – schwarzer Tee, der allerdings nicht mit Wasser, sondern mit Milch gekocht wird und mit ganz viel Zucker gesüßt wird. Schmeckt dementsprechend natürlich auch sehr gut und ist immer viel zu schnell getrunken!
Selvamary beim Gemüse schneiden


 Was für mich dann bedeutet, dass ich mich auf den Weg mach ins Nebengebäude, das Ladys-Hostel, und versuche, mich dort beim Haareflechten nützlich zu machen. Manchmal klappt das besser und ich frisiere ein paar der Mädchen, manchmal sitze ich aber auch nur auf dem Boden, umringt von einem Schwarm Mädchen und versuche, mit allen gleichzeitig zu reden, zu spielen und vor allem, alle zu verstehen. Aber egal, was ich mache – es ist ein schöner Start in den Tag!

Pünktlich um Acht gibt es Frühstück, wieder in dem Gebäude, in dem auch die Küche ist. Und auch da gibt es immer was zu tun: bei der Essensausgabe helfen, mit einem der Kinder anstehen, beim Tellertragen helfen oder wieder einfach nur Zuhören und die Kleider, Ohrringe und Zöpfe bestaunen – langweilig wird es nie! Sind dann alle Kinder versorgt, esse ich selbst auch und bekomme meistens sogar nochmal einen Tee. Gewöhnen musste ich mich daran, dass Frühstück hier nicht Müsli, Obst oder Toastbrot bedeutet, sondern eine volle, warme Mahlzeit ist. Wirklich Hunger darauf habe ich meistens allerdings immer noch nicht. 

Die Kinder beim Essen

Vollkommen satt geht es dann weiter in die kleine Kirche hier auf dem Gelände, zum „Staffprayer“, das jeden Tag von einem anderen Lehrer geleitet wird und aus zwei (meist tamilischen) Liedern, einer Bibelstelle (die ich in der englischen Bibel mitlesen kann) und einem Gebet besteht. 
Mitten im Grünen: Die Kirche des Elwin Centres

Chaotischer geht es da beim darauf folgenden „Childrenprayer“ zu, die Kinder singen aus voller Kehle, so wie sie es eben können. Das hört sich oft an, als sei es ein Kanon mit sehr vielen Stimmen, ist aber echt schön, ihnen zu zuhören. Und zu zuschauen, das meiste sind nämlich „Action-Songs“. Ab und zu wird noch eine Bibelgeschichte erzählt, an anderen Tagen dürfen einzelne Kinder vorsingen oder Verse aufsagen, manchmal ist die Gruppe auch in die „Größeren“ und die „Kleineren“ getrennt, so dass das Niveau dementsprechend angepasst werden kann.
Nach einer guten halben Stunde wird mit einem Gebet geschlossen und es geht entweder direkt in die Schule oder es werden noch ein paar Yoga-Übungen gemacht, was manchen mehr und anderen eher weniger Spaß macht und auch gelingt. Für die Lehrerinnen sind diese Übungen deshalb vermutlich noch herausfordernder als für die Kinder, da sie ständig helfen und animieren müssen. Beim Yoga und beim Gebet versuche ich mich meistens recht unauffällig zu verhalten, da die Kinder immer anfangen, mit mir zu reden, wenn sie mich sehen. Oder zu mir her laufen. Und manchmal sogar weinen, wenn sie daran gehindert werden. Das ist dann natürlich etwas unproduktiv. Wird aber auch schon besser, bald kann ich bestimmt mit animieren und helfen!

Bei den Yoga-Übungen


Anschließend, ab 10 Uhr, steht mir der stressigste Teil des Tages bevor: die Schule. Bis jetzt war ich immer in der First Standard, also sozusagen der ersten Klasse. Sie gleicht allerdings mehr einem Kindergarten; die Kinder bekommen etwas Spielzeug und sollen sich damit beschäftigen. Solange Stella, die Lehrerin, oder Rechal, die auch oft aushilft, im Raum sind, ist das auch echt schön, da kann ich mit einzelnen Kindern spielen, hab Zeit für sie und kann mich so auch um die Ruhigeren kümmern. Allerdings bin ich auch oft alleine mit den Kindern. Und dann wollen alle auf einmal meine Aufmerksamkeit. Hören auf das, was ich mit meinen noch nicht sehr ausgereiften Tamilkenntnissen zu ihnen sage, tun sie aber selten. Das führt dann manchmal soweit, dass eines der Mädchen anfängt, andere Kinder zu schlagen oder Stühle, auf denen die kleinen, recht wehrlosen Kinder sitzen, umzuwerfen, damit ich gezwungen bin, meine Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Und dann hat sie, was sie will. Aber auch da machen wir schon Fortschritte, und ganz so fertig mit meinen Nerven, wie ich das am Anfang nach der Schule immer war, bin ich inzwischen auch nicht mehr.

"Meine" Klasse mit Rechal

 Und ich habe eine wunderschöne Aufgabe bekommen, die eine halbe Stunde der Schulzeit in Anspruch nimmt: Einem Mädchen namens Jeba, das nicht sprechen kann und nur mit Mühe ein paar Laute hinbekommt, gebe ich jeden Morgen Sprachunterricht. Das bedeutet, dass ich zwei oder drei Übungen mit ihr mache, wie zum Beispiel eine Kerze auspusten, ein kleines Bonbon mit der Zunge von meiner Hand aufnehmen oder sich Zuckerwasser von den Lippen lecken. Zwischendurch versuche ich sie immer dazu zu bringen, einfache Wörter wie „amma“ (Mama) oder „appa“ (Papa) oder auch nur einzelne Laute zu sagen, und es klappt auch immer besser und macht sowohl ihr als auch mir unglaublich viel Spaß!

Das Mittagessen läuft wieder so ab wie das Frühstück und ich bin froh, wenn ich gegessen habe und mich etwas ausruhen kann, denn von 13:30 bis 16:00 Uhr habe ich Mittagspause. Etwas zu tun gibt es meistens trotzdem, von Waschen und Putzen über Einkaufen gehen, Ferienunterkünfte buchen oder einen Blogeintrag schreiben – so arg viel Ruhe gibt es eigentlich nie. Erst recht dann nicht, wenn ich mich mit Arun, der gerade hier aushilft, zum Lernen verabrede. Sein Bruder hat nämlich Sophie, eine ehemalige Freiwillige hier, geheiratet und wohnt jetzt in Deutschland. Deswegen möchte er unbedingt auch bald mal nach Deutschland und Deutsch lernen. Im Gegenzug bringt er mir etwas Tamil bei. Und da wir beide vor der gleichen Herausforderung stehen – eine neue Sprache lernen zu wollen – verstehen wir auch recht gut, was der andere wissen möchte und wie schwer es ist, sich alles zu merken, was einem erzählt wird!

Spätestens um vier ist der Unterricht aber beendet, denn dann ist wieder Tea-Time. Diesmal sogar mit Snacks, bei Mr. Barnabas im Büro. Das ist immer eine sehr gute Gelegenheit, ihn Dinge zu fragen und sich auszutauschen. Oder auch nur den Anderen, die auch anwesend sind, zuzuhören. Auch wenn ich natürlich nur bruchstückweise etwas verstehe. Trotzdem bekomme ich, auch durch Unterlagen, die mir gezeigt werden, immer mehr Einblick in die Verwaltung der Schule, was echt spannend ist! Schulgeld müssen die Eltern zwar zahlen, aber sehr wenig, eher symbolisch (200 Rupien, das sind ca. 2,60€, auch wenn man indische Preise nicht mit europäischen vergleichen darf!). Das meiste funktioniert über „Well-Wisher“, die regelmäßig Geld spenden. Soweit ich das schon mitbekommen habe, ist Mr. Barnabas sehr geschickt darin, Beziehungen zu knüpfen und neue Sponsoren zu finden. Außerdem stellen die älteren Schüler selbst auch einige Produkte her, wie zum Beispiel Traubensaft und Notizbücher, die sie verkaufen und damit zum einen selbstständiger und auf spätere Berufe vorbereitet werden, gleichzeitig auch etwas Geld verdienen. 

Frisch gestärkt gehe ich danach wieder zu den Kindern im Heim und tobe mich mit ihnen richtig aus. Inzwischen habe ich zwei Springseile und drei Ringe zum Werfen, zusammen spielen die Kinder jedoch selten. Meistens wollen sie, dass ich sie fange, was mir die Möglichkeit gibt, den ganzen Zucker aus Tee und Snacks und das viele Essen zumindest ansatzweise wieder abzutrainieren ;) Unterbrochen wird das Spielen dann um sechs, dann ist Fernsehzeit und die Kinder versammeln sich in der Halle. Und mir macht Selvamary heiße Milch mit Zucker, damit meine Muskeln und Knochen nicht anfangen weh zu tun, nach dem vielen Rennen. Das beeindruckt die Leute hier irgendwie mächtig! Und unglaublich finden sie, dass ich Milch auch ohne Zucker trink. Das verstehen sie nicht und ich bekomm es auch nicht, nur einmal, als der Zucker leer war, hatten sie keine andere Wahl ;)
 Um halb sieben wiederholt sich das morgendliche Childrenprayer, bis es dann um sieben Abendessen gibt. Nach dem Essen gehe ich in das Gebäude der Jungs und setzte mich zu Sahral, einer der Mitarbeiterinnen, rede mit ihr und mit den Jungs, die bei ihr im Zimmer schlafen. Sobald die Jungen mein Handy erblicken, wollen sie unbedingt fotografiert werden oder selbst Fotos machen, was ich ab und zu auch zulassen muss und dann auch immer ganz witzig ist. (Ich würde mein Handy am liebsten in meinem Cottage lassen, dann wäre ich allerdings den ganzen Nachmittag nicht zu erreichen. Und Mr. Barnabas oder eine der Lehrerinnen müssen mich öfters mal erreichen…)

Eines der daraus resultierenden Bilder

Und noch eins
Abgeschlossen wird der Tag mit einem Staffprayer auf dem Boden vor dem Boys-Hostel, dann ziehe ich mich erschöpft in mein Zimmer zurück und bin froh, wenn ich nichts mehr erledigen muss, sondern einfach noch ein bisschen lesen kann. Denn am nächsten Tag fängt das ganze ja schon wieder von vorne an!

Bilder habe ich immer noch nicht so viele, denn immer, wenn ich mit einem Foto aufkreuze, werde ich umringt von Kindern, die sich genau vor mich stellen, so dass ich das eigentliche Fotoobjekt überhaupt nicht mehr sehe! Ab und zu habe ich unauffällig versucht, mit dem Handy Bilder zu machen, aber auch das ist schwer. Ich bleib aber dran, irgendwann wird sich das auch alles normalisieren!

Eigentlich hatte ich geplant, den Baumstamm im Hintergrund mit den Jungs darauf zu fotografieren...
Ich hoffe ihr habt trotzdem einen guten Einblick in meinen üblichen Tagesablauf hier bekommen. Natürlich passiert auch um dieses Programm herum sehr viel, ich bin an Wochenenden oft unterwegs, auf Chorkonzerten, bei Verwandten von Mr. Barnabas, habe selbst kleine Auftritte mit der Gitarre und morgen gehe ich schon wieder auf eine Hochzeit… viel zu viel, um alles zu erzählen! Und das jetzt schon, nach gerade mal etwas mehr als einem Monat!

Liebe Grüße, bis bald!
Eure Anna

Montag, 5. Oktober 2015

Ab in den Urlaub!



Überarbeiten werde ich mich hier wohl nicht: die letzten 10 Tage waren nämlich schon wieder Ferien und ich hatte die Möglichkeit, ein paar Tage davon unterwegs zu sein und mal wieder ziemlich viel zu sehen!

Meine erste kleine Reise begann am Sonntag, dem 27.09. und ging nach Nagalapuram zu der Einsatzstelle von Anna, mit der ich auch schon von Bangalore hierhergekommen war. Das bedeutete, dass ich das erste Mal alleine Busfahren durfte! Auf dem Hinweg wurde ich zwar noch zur Bushaltestelle gefahren und in den richtigen Bus gesetzt, aber das war auch gut so. Mindestens 20 Busse standen da nämlich auf einmal an der Bushalte, ständig fuhren welche los, dafür kamen andere dazu und da ich noch kein Tamil lesen kann, war alles sehr unübersichtlich! Auf dem Rückweg sah das aber alles schon viel bekannter und einfacher aus und jeder, den man nur fragend anschaut, hilft einem sofort! 

Nach knappen zwei Stunden war ich auch schon bei Anna angekommen und wir hatten erst einmal sehr viel zu bereden, schauten uns die Einsatzstelle (ein Frauenzentrum) an und sprachen mit den Leuten vor Ort. Am Montag gingen wir zusammen mit einer Mitarbeiterin des Frauenzentrums nach Madurai, schon wieder auf eine Hochzeit :)  Also kann ich jetzt sogar schon etwas vergleichen und werde das in dem versprochenen Extraeintrag tun. 

Da Anna auch gerne sehen wollte, wie ich hier lebe, fuhren wir am Mittwoch gemeinsam her und erlebten das Elwin Centre im Ausnahmezustand: Die Schulkinder waren bis auf eine Hand voll zwar zu Hause, dafür waren aber um die 50 andere Jugendliche auf einem Sommercamp, das hier auf dem Gelände stattfand. Also wieder lauter neue Gesichter, die wir erst einmal damit verwirrten, dass wir uns beide mit „Anna“ vorstellten. Viel mehr konnten wir mit den meisten leider auch nicht reden, aber dafür mussten wir sehr oft wiederholen, dass wir Anna aus Germany sind und wurden oft fotografiert. 

In diesen zwei Tagen regnete es hier extrem viel, einmal stürmte es dazu noch so arg, dass mehrere Bäume hier auf dem Gelände entwurzelten, ein Auto darunter begraben wurde und die Stromleitung in einem der Gebäude kaputt ging.
So tief sind die Bäume auch nicht verwurzelt in dem sandigen Boden

Durchtrennte Stromleitungen
Stromausfall gab es währenddessen auf dem ganzen Gelände, das ist bei stärkeren Regenfällen wohl immer so. Aber Anna und ich freuten uns über das Wetter und kühlten uns ab, indem wir durch den Regen tanzten. Abends bastelten wir uns einen Kerzenständer aus einer leeren Flasche und hielten ein Ananas-Candle-Light-Dinner ab. Das hat auch mal was! :)
Unser Kerzenständer

Am Donnerstag fuhr Anna auch schon wieder heim und wir nutzen die Gelegenheit, dass ihr Bus Mittags in Sivakasi, der nächst größeren Stadt, fuhr, um uns dort morgens noch etwas umzuschauen. Viele Autos, Motorroller, kleine Läden mit Obst, Kleidern, Geschirr aber auch größere Supermärkte und Juweliere, einen großen Hindutempel und Kirchen,… und das alles bei einem sehr hohen Geräuschpegel. Zu sehen und hören gab es unglaublich viel und wir waren beide echt erschöpft, als wir dann endlich an der Bushalte standen!

Ein kleiner Hinud-Schrein

Doch viel Zeit zum Ausruhen blieb mir nicht, ich machte mich gleich wieder ans Packen. Um 10 Uhr abends holte mich Mr. Barnabas, mein Schulleiter, dann schon wieder ab und fuhr mit mir zum Thangam-Home, einem Heim hier im Dorf, in dem 14 Mädchen wohnen, weil sie entweder Waisen oder sehr arm sind und ihnen so die Schule beziehungsweise das College und die Verpflegung bezahlt wird. Das jüngste der Mädchen ist 13, die älteste 22. Ein Sponsor hatte ihnen für die Ferien etwas Geld gegeben, um einen Ausflug zu machen und da durfte ich mit! In einem kleinen Reisebus fuhren die 14 Mädchen, ihre Hausmutter, die Köchin, Mr Barnabas (der die Reise organisiert hatte), seine Frau Santhi und ich nach Kerala, also in den westlichen Nachbarbundesstaat. 

Zwar konnte ich mich mit den Mädchen mal wieder nur mit Bruchstücken Englisch und Händen und Füßen unterhalten, verstanden haben wir uns aber gut! Schon auf der Busfahrt kuschelte sich Bhuwana, das Mädchen, das neben mir saß, zum Schlafen an mich. 

Etwas erschöpt, weil das mit dem Schlafen im Bus trotzdem nicht so ergiebig war, kamen wir am nächsten Morgen bei unserem ersten Ziel an: dem Athrapilly-Wasserfall, auch „Niagara von Indien“ genannt. Mitten in einem dichten Wald aus Palmen und Laubbäumen, in dem tausende Affen von Baum zu Baum sprangen, schlängelte sich der Fluss und Unmengen an Wasser stürzten in die Tiefe. Auf Grund der starken Regenfälle in den letzten Tagen war dieser sogar noch reißender als sonst und mächtig beeindruckend!
Blick über den Wald

Die kleinen Affen im Baum



Die Mädchen auf dem Weg zum Wasserfall

Der erste Blick auf den Wasserfall

Am Fuß des Wasserfalls

Ein paar der Mädchen und ich beim Wasserfall

 Weiter flussaufwärts nutzen wir den Fluss um zu baden und uns zu waschen. Natürlich vollständig bekleidet, aber wunderschön und erfrischend! Und natürlich auch echt lustig mit den Mädchen ;)
Die Badestelle


Einen ersten Eindruck hatte ich schon, warum Kerala von der Tourismusindustrie als „Gods own Country“ bezeichnet wird, und der verstärkte sich mit jeder Minute, die ich auf der Weiterfahrt nach Kochi aus dem Fenster schaute: überall Palmen, grüne Reisfelder, kleine Hütten und große Villen. Aber obwohl es so viel zu sehen gab, schliefen wir alle nach einer Weile ein und wachten in Kochi wieder auf. Kochi ist eine Hafenstadt, verteilt auf mehrere Inseln und unglaublich groß. Nachdem wir unsere Unterkunft erreicht, Mittaggegessen und etwas Pause gemacht hatten, fuhren wir über eine halbe Stunde ans Meer und kamen dort gerade rechtzeitig, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Der Weg am Ufer entlang führte unter knorrigen, alten Bäumen an riesigen Fischernetzen und kleinen Booten vorbei, umsäumt von kleinen Verkaufsständen. Der Anblick war herrlich, leider kümmerten sich die Mädchen aber so gut um mich, dass ich nicht viel Zeit hatte, alles zu fotografieren, sondern immer weiter gezogen wurde. Die Abendstimmung hätte sich aber wohl sowieso nicht wirklich einfangen lassen. 


Fischerboote am Ufer

Ganz viel Fisch (hat auch so gerochen wie es aussieht)

Der Sonnenuntergang



Am Ende der Uferpromenade liegt der Mahatma Ghandi- Strand, den wir erreichten, als es schon dunkel war, was hier aber auch sehr schnell geht. Wie überall war hier sehr viel los und auch touristenmäßig viel geboten, so dass einige der Mädchen, inklusive mir, den Strand auf einem Kamel entlang ritten und uns den Wind um die Nase streichen ließen.
Zwei der Mädchen auf dem Kamel
Dann mussten wir leider auch schon wieder zurück, aßen zu Abend und gingen dann auch recht schnell ins Bett. Lange wach bleiben die meisten Tamilen wohl nicht, dafür stehen sie aber auch früh auf!

Der nächste Tag war aber auch wieder gut gefüllt. Zuerst war ich zwar etwas enttäuscht, als es hieß, dass wir in eine Shoppingmall gehen würden, da ich mir vorstellen konnte, dass es in Kochi spannenderes zu sehen gibt. Die Shoppingmall war auch nicht das Spannende, sie war sehr neu und gefüllt mit all den Läden, die es bei uns auch gibt. Sehr westlich eben. Spannend waren aber die Mädchen, die so etwas noch nie gesehen hatten und beeindruckt waren von all den Läden, der Größe des Gebäudes und einen Stau an der Rolltreppe verursachten, da sie sich nicht trauten, darauf zu treten. Und unglaublich aufgeregt waren, als wir mit dem Aufzug wieder nach unten fuhren. Und zum ersten Mal bei McDonalds aßen. Das hat ihnen allerdings gar nicht geschmeckt. In dieser westlichen Welt kannte ich mich aus und sie waren die, für die alles neu war. Außerhalb der Mall dreht sich dieses Verhältnis allerdings und ich wirke sicherlich ganz genauso.

Anschließend ging es weiter nach Allepy, einer Stadt etwas südlicher, die berühmt ist für ihre Backwater und die Hausboote darauf. Auch wir hatten ein Boot gemietet und fuhren damit zwei Stunden lang durch die traumhaften Gewässer, wieder vorbei an zahllosen Palmen, Reisfeldern, kleinen Dörfern und vielen Hausbooten, denen wir fast allen zu winkten und uns fröhlich begrüßten. 
Eines der Hausboote

Mr. Barnabas in Mitten der Mädchen

Unser Schiff, die Köchin und ich

Der Kanal zu den Backwaters
Zeitenweise wurde ich zum Kapitän ernannt und durfte das Boot steuern. Zwar eigentlich nur gerade aus, hat aber trotzdem sehr viel Spaß gemacht und die Mädchen konnten fast nicht glauben, dass ich das kann.


Die Zeit verging viel zu schnell und wir machten uns schon wieder auf den Heimweg. Also wieder viel Zeit, um aus dem Fenster zu schauen, nach zu denken und sich an meine Nebensitzerin zu kuscheln. Irgendwann waren auch fast alle eingeschlafen, allerdings nicht lange. Denn um 10 Uhr hielten wir an, um zu Essen. Wo genau das war, kann ich nicht sagen, alles kam mir vor wie im Traum. Das Restaurant glich einer Garage, in die ein paar Tische gestellt wurden. Außen war eine große Herdplatte, die mit Holzfeuer beheizt wurde und wir aßen von Bananenblättern. Da wir nicht alle zusammen in die „Garage“ passten, aßen wir in Schichten, was hier üblich und auch ganz praktisch ist. So hatte ich nach dem Essen noch Zeit, den Sternenhimmel zu genießen und das für diese Zeit überraschend hektische Treiben in der kleinen Stadt zu beobachten. Allerdings war es fast etwas kühl, da der Wind recht stark blies. Das ist aber auch mal ganz angenehm, tagsüber tropft einem der Schweiß nur so von der Stirn.

Das Elwin Centre war schon abgeschlossen, als wir um 1 Uhr nachts wieder in Satchiyapuram ankamen, deswegen schlief ich bei den Mädchen im Heim. Das Heim ist für 14 Mädchen echt klein, zumindest wenn man deutsche Maßstäbe anlegt. Deswegen schlafen alle auf dem Boden in einem Raum, der auch als Aufenthalts-und Esszimmer dient. Es gibt nur zwei Bettgestelle, eins für die Köchin und eins für die Hausmutter. Obwohl ich mehrmals beteuerte, dass ich ganz sicher auch auf dem Boden schlafen kann, bekam ich eines der Betten und die Köchin schlief dafür auf dem Boden. Das war mir zwar nicht recht, aber wehren konnte ich mich nicht. Und gemütlicher war es sicher. Kurz war die Nacht aber trotzdem, schon vor sechs stand die Hausmutter auch schon wieder auf. Die Mädchen schliefen zwar noch etwas länger, wurden bald darauf aber auch geweckt und gingen zum Zähneputzen vor das Haus. 

Den Schlaf muss ich erstmal noch nachholen, heute hat jetzt auch die Schule wieder begonnen und der Alltag kehrt für eine Weile zurück. Glaube ich wenigstens, aber so sicher weiß ich nie, was am nächsten Tag alles passiert ;)

Ganz liebe Grüße,

Eure Anna