Mittwoch, 24. Februar 2016

Happy Birthday Amma!



Weiß jemand von euch – ohne nachzuschauen – wann Winfried Kretschmann Geburtstag hat? Ich auch nicht. Die tamilische Ministerpräsidentin, Jayalalithaa, genannt Amma (Mama),  hat heute Geburtstag und wird 68 Jahre alt. Und ich glaube, es gibt keinen in ganz Tamil Nadu, der das nicht mitbekommen hätte. Schon seit Tagen hängt in jedem noch so kleinen Dorf mindestens ein riesen Plakat mit ihrem Gesicht darauf.  Wobei man sie sowieso schon überall bewundern kann. Auf gefühlt jeder zweiten Wand ist ein Portrait von ihr  gemalt. Vor ihrer politischen Karriere war sie Schauspielerin, das Lächeln für die Kamera hat sie drauf. Heute waren auch die Zeitungen voll mit Bildern von ihr. Und überall wehen die Fahnen ihrer Partei (All India Anna Dravida Munnetra Kazhagam) in den Farben Schwarz und Rot. 

Auch die Einfahrt zum Elwin Centre wurde komplett mit Fahnen behangen. 

Der Weg ins Elwin Centre
Denn es wurde hoher Besuch erwartet: der MP (Member of Parliament) von unserem Wahlbezirk hatte zu Feier des Tages ein sogenanntes „Special Lunch“, Ventilatoren und neue Neonröhren gesponsert. Natürlich jedes Mal mit einem Sticker, auf dem einem das Gesicht der Ministerpräsidentin anlächelt.

Die symbolischen Teile der Ventilatoren und die Neonröhren

Schon lange vor dem Mittagessen versammelten sich alle Kinder in der Halle und durften einen Film schauen, bis der MP mitsamt etlicher Parteimitglieder eintraf. Diese wurden erst einmal, wie sich das hier gehört, mit Blumen und Tüchern begrüßt und geehrt. Anschließend hielt unserer Correspondent und auch einer der Parteimitglieder eine kleine Rede und die Spenden wurden symbolisch übergeben. Begleitet wurde das alles von drei Kameramännern, die die Gäste extra mitgebracht hatten. Zusammen mit mir und Muthukumar, der für das Elwin Centre fotografierte, standen also fünf Fotografen vor der Bühne – und der Rest wird wohl kaum noch was gesehen haben. Aber das ist hier so üblich, man findet so gut wie kein Fest, auf dem nicht mindestens zwei Profifotografen herumrennen.

Ganz mittig am Tisch der MP, umringt von Parteifreunden

Allerdings verdeckt von Fotografen

Links "meine" Kinder, rechts die Kinder aus der Deaf School nebenan

Für die Kameras servierte der MP ein paar Kindern das Essen, danach war er auch schon wieder weg.


Auch nachmittags gab es keine Schule, die Kinder durften einen Film schauen. Das hat meinen heutigen Plan für mein neues Projekt – das Postkartenbasteln, davon erzähl ich bald mehr! - ganz schön durcheinander gebracht. Aber spontan muss man hier sowieso immer sein, es klappt am Ende zwar immer alles, aber anders, als man es sich vorgestellt hat. 

Für das Abendessen hatte auch jemand Geld gespendet. Dieses Mal kam das Essen aber nicht wie mittags vom Restaurant in der Nähe, sondern unsere Köche kochten. Und da es Poori geben sollte und das sehr aufwendig zu machen ist, halfen die Lehrerinnen und ich mit. Pooris müssen nämlich alle einzeln ausgewellt werden und werden danach in Öl frittiert:
Der Teig wird erst in zu keinen Bällchen gerollt...

...und anschließend ausgewellt....

...und in Öl ausgebacken.

Wie vor jedem Special Meal (das gibt es übrigens relativ häufig, viele Leute spenden an ihrem Geburtstag, Hochzeitstag oder an einem Totestag eines Verwandten) hatten die Kinder, die helfen, das Essen auf die Tische zu verteilen, und ich noch Zeit in der Halle vor dem Essen. Alle waren sehr beeindruckt und begeistert von den Bildern von Jayalithaa und wollten unbedingt damit fotografiert werden beziehungsweise mich damit fotografieren. 




Populär ist sie auf jeden Fall, ich bin mal auf die Wahlen im Mai gespannt. Es gibt anscheinend zwei Parteien, die sich regelmäßig abwechseln. Sollte Jayalithaa nicht wieder gewählt werden, verschwinden die ganzen Bilder von ihr wohl in Windeseile und werden ersetzt. Mal sehen.
Und Winfried Kretschmanns Geburtstag ist übrigens am 17. Mai ;)

Liebe Grüße aus dem immer wärmer werdenden Tamil Nadu!

Eure Anna

Freitag, 19. Februar 2016

Andre Länder, andre Sitten!


Auch wenn Menschen auf der ganzen Welt wohl ähnliche Sorgen, Problem, Träume und Ideen haben, ist es doch von Kultur zu Kultur unterschiedlich, was auch zum Gesprächsthema gemacht wird.  So wird hier relativ selten über das Wetter gesprochen – das ist einfach so wie es ist und man kann nichts daran ändern. Dafür werde ich aber häufig gefragt, was mein Papa denn verdient und was das neue Oberteil gekostet hat – denn Geld ist hier keinesfalls ein Tabuthema wie bei uns - wenn man viel Geld verdient, will man das auch allen mitteilen. Genauso wenig tabu wie die erste Periode eines Mädchens. Ganz im Gegenteil, das Mädchen gilt dann als erwachsen – und das sollen alle erfahren!

 Schon oft haben mir die jüngeren Lehrerinnen hier erzählt, wie ihr Vater damals ganz stolz von Haus zu Haus gelaufen ist und alle zum Fest eingeladen hat, das ein paar Tage später gefeiert wurde. Und waren ganz erstaunt, als ich gemeint habe, dass ich das eher nicht so herum erzählt habe.  Heute hatte ich die Gelegenheit, auf eines dieser Feste von einer Schülerin, Ajita, zu gehen. Die Familie ist hinduistisch, so dass viele Pujas (die rituellen Gebete) gehalten wurden. So richtig vorstellen kann man sich das schwer, wenn man es nicht gesehen hat. Und ganz verstanden, was genau wann passiert, haben nicht einmal die Lehrer, die mit dabei waren. Denn dieses Fest ist von Ort zu Ort und natürlich von Religion zu Religion etwas anders.  Glücklicherweise wurde ich die ganze Zeit aufgefordert, jede Kleinigkeit zu fotografieren, so kann ich euch jetzt einen kleinen Einblick geben:
Ein Priester kam in Haus der Familie, bereitete im Hauptraum des Hauses alles für die Puja vor und alle versammelten sich dort. Zuerst setzten sich Ajita und ihre Familie neben den Priester, der Mantras aufsagte und allerlei Rituale mit Kokosnüssen, Bananen, Räucherstäbchen, Blumen und einem kleine Feuer durchführte, die ich leider nicht erklären kann. Es ist trotzdem einfach unglaublich faszinierend ihm zuzuschauen, wie er Blumen und Wasser auf die ausgebreiteten Bananenblätter   und Kokosnüsse und sogar im ganzen Haus verteilt, ein Feuer entzündet und dabei durchgehend diese meditativen Mantras rezitiert.


 
Nachdem Ajitas eigene Familie um den Priester herum gesessen hatten, setzten sich nacheinander Ajitas Onkel und Tanten und die Rituale wurden wiederholt. Jeweils anschließend segneten sie Ajita mit einer Paste aus Sandelholz, indem sie ihr mit dem Ringfinger etwas davon auf die Stirn schmierten.
Als alle Verwandten an der Reihe waren verließen wir das Haus und Ajita wurde „geduscht“. Das heißt, ihre Tanten schütteten Wasser über sie, schmierten sie mit Kurkuma-Pulver ein (was hier generell oft zum Gesichtwaschen verwendet wird und einen leichten Gelbstich hinterlässt).
 

Vermutlich um sie besonders „rein“ zu waschen wurde im Anschluss Wasser über sie geschüttet, das zuvor bei der Puja geheiligt wurde.
Danach bekam Ajita einen Sari geschenkt –sie gehört ja jetzt zu den Großen- der ihr dann auch sofort angezogen wurde. Umringt von allen Frauen, die fast alle an ihr rumzupften und zu helfen versuchten. Es war aber auch besonders schwer, ihr den Sari anzuziehen, da sie sehr klein und dünn ist – der Sari ist aber trotzdem 6m lang! Als der Sari fertig war, wurde sie über und über mit Schmuck und Blumen behängt:




Noch einmal wurde eine Puja gehalten, dieses Mal führten die Tanten einige Rituale durch. Zum Beispiel wurden ihr Kekse auf den Kopf, die Hände und die Schulter gelegt und diese dort zerschlagen. Was sehr zur Belustigung des ganzen Raums beitrug, den tieferen Sinn dahinter konnte ich mir aber leider nicht erklären lassen.



Zum Abschluss liefen wir zu zwei Tempeln. Auch da wurde gebetet und jeweils ein kleines Feuer entzündet.





Auch wenn das jetzt mal wieder nur ein Bruchteil von dem war, was ich heute Morgen alles gesehen und erlebt habe (allein die Gerüche bei so einer Puja sind ganz besonders), habt ihr vielleicht doch einen kleinen Eindruck bekommen.

Ajita, ihre Cousine, Elwin Centre Staff und ich

Ganz liebe Grüße!
Eure Anna