Auch wenn hier offiziell nur der 25.12. als Weihnachten
angesehen wird und der Advent und die Adventssonntage keine Rolle spielen, habe
ich nicht etwas so lange nichts mehr geschrieben, weil es nichts zu erzählen
gegeben hätte. Ganz im Gegenteil, die Weihnachtszeit war einfach (wie wohl
jedes Jahr und überall) recht vollgepackt und stressig.
Schon im Oktober wurden
die Weihnachts-CDs ausgepackt und die ersten Weihnachtslieder gehört. Ende
November besuchte ich dann meine erste von insgesamt elf Weihnachtsfeiern. Die
meisten davon wurden von den christlichen Schulen und Heimen hier in der
Umgebung ausgerichtet und bei allen war ich ein willkommener Gast. Bei einer
der Feiern war ich sogar einer der Ehrengäste, die den ersten, formellen Teil
der meist ähnlich aufgebauten Zeremonie bilden. Zu Beginn sitzen die „chief
guest“, auf die auch mal gerne eine Stunde lang gewartet wird, sollten sie
nicht rechtzeitig erscheinen, vorne auf der Bühne. Nach und nach werden sie
begrüßt, geehrt und die meisten richten auch ein paar Worte an die Kinder, die
diesen sehr langwierigen Teil der Feier beeindruckend geduldig über sich
ergehen lassen. Anschließend gibt es aber auch die Geschenke, meist
Versperdosen, Trinkflaschen oder Mäppchen. Auch wenn das für uns nicht
sonderlich verlockend klingt, scheinen sich die Kinder sehr darüber zu freuen.
Der formelle Teil ist damit abgeschlossen und das „cultural
program“ beginnt. Diesen haben die Kinder selbst vorbereitet und er besteht aus
den verschiedensten Tänzen und einem Krippenspiel.
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Traditioneller Tanz, bei dem ein kleiner Weihnachtsbaum auf dem Kopf balanciert wird... |
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...und damit alle möglchen Kunststücke gemacht werden. |
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Krippenspiel |
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Tanz der "Thangam-Home"- Mädchen |
Besonders freuen sich die
Kinder über den „Christmas Tata“, den Weihnachtsmann, der plötzlich während den
Tänzen auftaucht, mit den Kindern mittanzt und Bonbons in die Menge schmeißt.
Aussehen tut der Weihnachtsmann, bis auf die Luftballons mit denen er
geschmückt ist, ganz genauso wie bei uns – denn er trägt immer eine Maske mit
weißer Hautfarbe und weiße Handschuhe, so dass die braune Hautfarbe (die die
meisten Inder hier sowieso gar nicht mögen) nicht mehr zu sehen ist.
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Christmas-Tata auf dem Motorrad |
Zum Abschluss gibt es noch etwas zu Essen für alle, was hier
viel unkomplizierter ist als in Deutschland. Da man ja mit den Händen isst,
braucht man nämlich keinen Tisch, sondern kann seinen Teller mit der einen Hand
halten und mit der anderen essen, entweder im Stehen oder auf dem Boden
sitzend.
Bei mir im Elwin Centre gab es gleich zwei Weihnachtsfeiern,
da zwei Kirchengemeinden einen Nachmittag für die Kinder gestalteten. Die
Feiern sahen deshalb auch etwas anders aus als die anderen und begannen mit
kleinen Spielen für die Kinder. So mussten ein paar möglichst schnell einen
Weihnachtsbaum schmücken, andere zerschlugen Wasserbomben mit der Hand und
wieder andere verkleideten sich um die Wette als Weihnachtsmann.
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"Weihnachtsbaum" schmücken |
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Wer verkleidet sich am schnellsten? |
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Seilziehen |
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Ragul und Pream zeigen stolz ihre neuen Kleider (die sie von der Schule zu Weihnachten bekommen haben) |
Das Gewinnen
wird hier sehr ernst genommen, weshalb jeweils im Anschluss an die Spiele eine
Siegerehrung stattfand und die ersten drei einen kleinen Preis, einen Teller
oder eine Vesperdose, erhielten. Auch wir Mitarbeiter blieben von den Spielen
nicht verschont, was mir an einem Tag eine wunderschöne neue Dose bescherte ;)
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Christmas-Tata-Siegerehrung |
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Alle weiblichen Mitarbeiter beim Spielen |
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Siegerehrung |
Der formelle Teil wurde bei unseren Weihnachtsfeiern
weitgehend ausgelassen, auf den kulturellen Teil wurde aber schon lang im
Voraus hingefiebert und täglich wurden Tänze geübt. Ich selbst wurde gebeten,
ein deutsches Weihnachtslied zu singen und mit meiner Gitarre zu begleiten, was
ich natürlich tat.
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Meine Kinder beim Tanzen |
Unsere Halle wurde dafür
von einem der Special Employees (Mitarbeiter, die früher hier selbst Schüler
waren und jetzt mithelfen) über und über geschmückt. Sogar eine große Krippe
und ein Weihnachtsbaum (natürlich aus Plastik) wurde auf gestellt. Beim
Schmücken gilt hier die Devise: Je bunter und mehr desto besser, weshalb
überall bunte, blinkende LED-Lichterketten, Leuchtsterne und anderes
Klitzerzeug hingen. Auch die Kirche war von oben bis unten damit behangen.
Obwohl mir das alles am Anfang etwas viel und überladen vorkam, gewöhnte ich
mich ganz schnell daran und fing an, das alles schön zu finden, denn es gehört hier einfach dazu!
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Unsere Halle (auf die Ehrengäste wird noch gewartet) |
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Die geschmückte Kirche von innen |
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Zelt vor der Kirche (für die, die nicht mehr rein passen) |
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Die Krippe vor der Kirche |
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Die St. Peter Church von außen |
Der Dezember verging mit all diesen Weihnachtsfeiern wie im
Flug. Am 23. Dezember begannen die Ferien und fast alle Kinder verließen
strahlend mit ihren Eltern das Centre und machten sich auf den Weg nach Hause.
Am Abend des 24. Dezembers ging ich zu meinem Schulleiter,
Mr. Barnabas, nach Hause, um mit ihm, seiner Frau und zwei Nichten Weihnachten
zu feiern. Nachdem wir ein kleines Feuerwerk veranstaltet (das gehört zumindest
bei mir in Sivakasi, dessen Hauptindustriezweig die Feuerwerksproduktion ist,
zu jedem Fest dazu) und Abendgegessen haben, gingen wir auch bald schlafen,
denn der 25. Dezember wird hier voll und ganz ausgenutzt. So wird der
Gottesdienst schon um 4:30 Uhr gefeiert. Da wir erst einmal eine halbe Stunde
zu einer Kirche außerhalb fuhren, eine halbe Stunde früher da sein mussten, da
Mr. Barnabas die Predigt hielt und der Festtagssari sowieso etwas länger zum
Anziehen braucht, bedeutete das, dass wir um 2:30 Uhr wieder aufstanden. Als
wir dann um 4 Uhr an der Kirche ankamen, beschallte diese das komplette Dorf
mit Weihnachtsliedern, was hier bei jedem Fest und jeder Religion üblich ist.
Der Gottesdienst dauerte 2 Stunden, so dass es hell war, als
wir aus der Kirche kamen. Wieder zurück zu Hause halfen erst einmal alle mit
beim Frühstück machen.
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Frühstücksvorbereitung |
Mr. Barnabas hatte Toast gekauft und meinte, es sei noch
etwas Gemüse und Käse da, ob ich nicht ein paar Sandwichs machen könne, damit
ihr Sandwichtoaster auch mal zum Einsatz komme. Leider stellte sich heraus,
dass der Käse eigentlich Butter war. So belegte ich die Sandwichs mit Tomaten,
Gurken und Petersilie und viel Majonäse, damit sie zumindest nach etwas
schmecken. So schlecht waren sie dann auch gar nicht.
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Der Sandwichbelag |
Bevor wir aßen wurde erst einmal der Kuchen angeschnitten
(das „Cake-Cutting“ ist auch eine Tradition, die zu jedem Fest dazu gehört) und
ich bekam Stoff für ein neues Kleidungsstück geschenkt. Generell werden hier an
Weihnachten eigentlich nur neue Kleider verschenkt, die dann auch gleich
getragen werden. Dass man an Weihnachten etwas Neues zum Anziehen hat, ist
dafür aber auch sehr wichtig!
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Weihnachtsbaum der Familie Barnabas |
Bis zum Mittagessen ruhten wir uns aus, sangen
Weihnachtslieder und schauten Fernsehen. Nach dem Mittagessen gingen Mr.
Barnabas´ Nichte, Jenny, und ich zur Kirche. Hier wurde ein
„Familiennachmittag“ veranstaltet und mit jeder Altersgruppe, vom Kindergarten
bis zu den Senioren, ein Spiel gespielt, ähnlich wie bei unseren
Weihnachtsfeiern.
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Wir mussten kleine Styroporkügelchen aus einer Flasche schüttel- ist schwerer als man denkt! |
Die Stimmung war unglaublich gut, niemand war sich zu schade
für die Spiele und alle machten mit, so dass Weihnachten zwar komplett anders
war als zu Hause in Deutschland, aber wunderschön!
Nach dem Abendessen wurde ich von Mr. Barnabas wieder in
mein indisches zu Hause gefahren und machte mich ans Packen, da ich am 26. los
fuhr nach Goa, um dort mit den anderen Freiwilligen Silvester zu feiern und
Urlaub zu machen. Wie das war, werde ich in den nächsten Tagen erzählen! Ihr
hört also bald wieder von mir!
Liebe Grüße aus dem immer wärmer werdenden Tamil Nadu,
Eure Anna
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